Gemeindeportraits
Die Kirche an der (Deutschen) Oper
Bismarckstraße 40; 10627 Berlin
In
der
Evangelisch-Freikirchlichen
Gemeinde
Berlin-Charlottenburg
ist
schon
der
Sand
im
Sandkasten
ökumenisch.
Im
Sommer
2014
baute
die
„Friedenskirche“
in
einem
benachbarten
Flüchtlingsheim
einen
4x4
Meter
großen
Sandkasten
auf.
Finanziert
wurde
das
Projekt
durch
die
Kollekte
bei
einem
ökumenischen Gottesdienst im Bezirk.
„Wir
haben
ein
tolles,
ökumenisches
Miteinander
im
Bezirk!“
versichert
Gemeindepastor
Hendrik
Kissel.
„Zwei
der
Straßenfesten,
an
denen
wir
beteiligt
sind,
bieten
einen
ökumenischen
Gottesdienst
mit
katholischer,
orthodoxer
und
evangelischer
Beteiligung
an.
Jedes
Jahr
bauen
wir
in
unserer
Kirche
einen
Oster-
bzw.
Weihnachtengarten
auf.
Wir
verstehen
auch
das
als
ein
ökumenisches
Projekt;
vor
Weihnachten
ziehen
bis
zu
3.500
Schüler
durch
den
Weihnachtsgarten.
Da
sind
auch
viele
Pfarrer
dabei.“
Ferner werden jährlich zwei ökumenische Gottesdienste im Bezirk durchgeführt.
Ein
diakonisches
Projekt
der
Gemeinde,
das
„Spielhaus
Schillerstraße“,
käme
ohne
die
ökumenische
Hilfe
nicht
aus.
Dort
ist
z.B.
die
Reinigungskraft
leitende
Mitarbeiterin
in
einer
benachbarten
Römisch-
Katholischen Kirchengemeinde.
Beim
interreligiösen
Dialog
macht
diese
Baptistengemeinde
auch
mit.
An
diesem
Kreis
sind
neben
Muslimen
und
Christen
auch
Buddhisten,
Bahai
und
Sophisten
u.a.
beteiligt.
Dieser
Kreis
wird
vom
Bezirksbürgermeister einberufen; 2014 fand eine der Begegnungen in der Friedenskirche statt.
Schon
beim
Betreten
der
altehrwürdigen
Kirche
im
Hinterhof
in
der
Bismarkstraße
40
wird
einem
sofort
klar,
daß
hier
neue
Wege
gegangen
werden.
Ein
buntes,
expressionistisches
Wandbild
in
einer
Größe
von
80
m2
nimmt
die
Vorderwand
im
Gottesdienstraum
in
Anspruch.
In
Anlehnung
an
dem
Einzug
in
Jerusalem
zeigt
es
Jesus
auf
einem
Esel,
als
er
das
Brandenburger
Tor
durchschreitet
und
eine
„positive
Unruhe“
unter
der
Bevölkerung
auslöst.
„Es
ist
ein
unruhiges
Bild“,
sagt
Pastor
Kissel.
„Das
ist
gewöhnungsbedürftig
in
einem
denkmalgeschützten,
kirchlichen
Raum.
Damit
rechnet
man
erst
einmal
nicht.“
Gestaltet
wurde
das
Bild
vom
Vater
Hendrik
Kissels:
Pastor
Helmut
Kissel
aus
dem
bayrischen
Bad
Tölz.
Zwanzig
Minuten
nach
Beginn
des
sonntäglichen
Gottesdienstes
gibt
es
plötzlich
eine
Pause:
Es
wird
Kaffee
gereicht
und
man
kommt
für
eine
Viertelstunde
miteinander
ins
Gespräch.
Der
Pastor
bezeichnet
diesen
Teil
als
ein
„Zeichen
des
Friedens“
–
ein
liturgisches
Element
in
vielen
Gottesdiensten.
Der
Gemeinde
geht
es
darum,
traditionelle
Elemente
eines
Gottesdienstes
mit
einer
Atmosphäre
zu
verbinden,
die
auch
Menschen
ohne
kirchlichen
Hintergrund
Zugangsmöglichkeiten
verschafft.
Darauf
folgen Kinderstunde und Predigt.
Die
kulturellen
und
musikalischen
Angebote
haben
diese
Gemeinde
bekanntgemacht.
Es
gibt
klassische
Musik
und
Gospel-Abende.
Doch
das
klassische
Repertoire
konkurriert
mit
dem
Angebot
benachbarter
Gemeinden,
und
die
recht
beliebten
Gospel-Abende
werden
primär
von
einem
kirchlichen
Publikum
aufgesucht.
Deshalb
schätzt
Pastor
Kissel
den
Wert
der
Avantgarde-Abende
besonders
hoch
ein.
Hier
handelt
es
sich
um
eine
Szenen-Kunst,
die
vor
allem
im
ehemaligen
Ost-Berlin
und
in
Kreuzberg
zu
Hause
ist.
„Der
Clou
dabei
ist“,
sagt
der
Pastor,
„dass
gerade
dieses
unkirchliche,
ganz
besondere
Publikum
daran
interessiert
ist,
sich
hinterher
zu
unterhalten.
Die
Abende
haben
einen
Club-Charakter.
Die Besucher der anderen Konzertarten gehen meistens sofort wieder nach Hause.“
Zu
den
weiteren
Angeboten
zählen
die
gelegentlichen
Kunstausstellungen,
die
immer
um
12
Uhr
nach
dem
Gottesdienst
mit
musikalischer
Umrahmung
eröffnet
werden.
Ein
gefragtes
Bildungsprogramm
zweimal
in
der
Woche
bietet
Menschen
über
50
Unterricht
im
Umgang
mit
Computern
und
Smartphones.
Auch
Busreisen
ins
Umland
–
eine
Art
Kaffeefahrt
mit
inhaltlichem
Programm
–
sind
in
kürzester
Zeit
ausgebucht.
Bei
den
Berliner
„Tagen
des
Offenen
Denkmals“
macht
auch
die
Friedenskirche
mit.
An
solchen
Tagen
rechnet sie mit bis zu 100 Besuchern.
Ausbildungsangebote
Nicht
zuletzt
bietet
diese
Gemeinde
auch
Arbeits-
und
Ausbildungsstellen
an.
Als
Ausbildungsbetrieb
bildet
sie
junge
Menschen
als
Büro-
oder
Veranstaltungskaufmann
aus;
dazu
kommen
noch
Bundesfreiwillige.
Ausstellungen
und
Konzerte
werden
im
Wesentlichen
von
Lehrlingen
und
freiwilligen
Jugendlichen vorbereitet.
Das
bereits
genannte
Spielhaus
Schillerstraße
ist
im
Wesentlichen
ein
umzäunter
Spielplatz
mit
zwei
Erziehungsfachkräften
und
drei
bis
fünf
Bundesfreiwilligen
und
Praktikanten.
Im
Gebäude
auf
dem
Grundstück
wird
Förderunterricht
und
Hausaufgabenhilfe
erteilt;
auch
eine
Küche
ist
vorhanden.
Diese
Arbeit
wurde
2010
auf
Wunsch
des
Bezirks
von
der
Friedenskirche
übernommen;
für
die
erforderlichen
Lohnkosten kommt das Jugendamt auf.
Hendrik
Kissel,
der
seit
2008
in
dieser
Gemeinde
dient,
legt
Wert
darauf,
dass
viele
Arbeits-
und
Lehrstellen
sowie
unbezahlte
Aufgaben
von
kirchenfremden
Menschen
wahrgenommen
werden.
Da
kommt
es
immer
wieder
vor,
dass
Katholiken,
Lutheraner
oder
Menschen
ohne
kirchlichen
Hintergrund
Führungen
durch
die
Räumlichkeiten
der
Kirche
machen
und
dabei
Besuchern
die
baptistischen
Glaubensprämissen
zu
erläutern
haben.
Da
die
Gemeinde
kaum
über
Musiker
verfügt,
wird
die
musikalische
Umrahmung
im
Gottesdienst
meistens
von
außenstehenden
Musikgruppen
übernommen,
die
sich
keineswegs
als
Kirchenmusiker
verstehen.
„Da
wird
uns
manchmal
eine
sehr
anspruchsvolle,
nahezu professionelle Musik als Begleitprogramm geboten“, freut sich der Pastor.
Obwohl
bedürftige
Menschen
immer
willkommen
sind,
ist
die
Gemeinde
nicht
weniger
interessiert
an
Menschen
mit
Sozialkompetenzen,
die
Verantwortung
übernehmen
wollen.
Die
Gemeinde
bittet
um
Hilfe.
Die
Devise
heißt:
„Zugang
schaffen
zur
Gemeinde
durch
Beteiligung.“
Der
Pastor
erläutert:
„Eine
kleine
Gemeinde
wie
wir
hat
nicht
genügend
Felder,
wo
neue
Leute
andocken
können.
Wir
alleine
sind
nicht
vielfältig
genug.
Deshalb
ermöglichen
wir
Nichtmitgliedern,
Aktionen
bei
uns
zu
initiieren.
So
erhöhen
wir
die
Andockmöglichkeiten
und
die
Begegnungschancen
mit
Christen.
Deshalb
habe
ich
auch
Iraner
darum
gebeten,
sich
bei
uns
einzubringen.“
Ein
Marketing-Lehrling
von
einem
Austauschprogramm
mit
Russland
soll
Ende
2014
damit
beginnen,
eine
Ausstellung
über
die
Arbeit
der
Gemeinde
mit
russischsprachigen
Fremdarbeitern im Dritten Reich zusammenzustellen.
Zur Geschichte
Diese
1898
gegründete
Gemeinde
war
einst
eine
renommierte
Adresse
unter
den
Baptisten
Deutschlands.
Nach
dem
Zweiten
Weltkrieg
hatte
sie
rund
700
Mitglieder;
während
des
Krieges
verfügte
sie
über
eine
russischsprachige
Gemeinde
für
Fremd-
und
Zwangsarbeiter
mit
280
Mitgliedern.
Heute
ist
die
Mitgliederzahl
auf
115
Erwachsene
zusammengeschrumpft.
Die
Abwanderung
nach
Westen,
der
Mauerbau
und
die
Kinderknappheit
in
deutschen
Familien
haben
diesen
Abschwung
verursacht.
Zusätzlich fand in den 70er Jahren eine Abwanderung in charismatische Gemeinschaften statt.
Nur
wenige
Mitglieder
wohnen
noch
in
der
unmittelbaren
Nachbarschaft.
Pastor
Kissel
erzählt:
„Die
natürlichen
Nachbarschaftskontakte
im
Stadtteil
gibt
es
nicht
mehr
–
deswegen
müssen
die
Kontakte
organisiert
und
gestaltet
werden.“
Um
zu
überleben,
müsse
die
Gemeinde
neue
Wege
finden.
Der
Pastor
verbringt
viel
Zeit
damit,
„Menschen,
die
in
unseren
Traditionen
nicht
zu
Hause
sind,
Zugänge
in
unsere
Gemeinde zu ermöglichen.“
Doch
Henrik
Kissel
ist
überzeugt,
dass
in
den
letzten
sechs
Jahren
manche
Ziele
bereits
erreicht
worden
sind.
Obwohl
die
offizielle
Mitgliederzahl
weiterhin
stagniert,
hat
sich
die
Zahl
der
Gemeindekontakte
gewaltig
erhöht.
Er
versichert:
„Wir
haben
es
geschafft,
wieder
als
Teil
des
Stadtteils
erlebt
zu
werden.
Man
nimmt
uns
als
Nachbar
wahr.
Wir
werden
auch
von
der
Kommune
als
Gesprächspartner
angefragt
und ernstgenommen. Unsere ‚Kirche neben der Oper‘ ist für viele zu einem Begriff geworden.“
Wie
kann
man
sich
mit
dieser
einmaligen
Baptistengemeinde,
der
Friedenskirche,
in
Verbindung
setzen?
Viele
Kontakte
entstehen
über
die
Webseite
(www.die-friedenskirche.de),
Twitter
und
Facebook.
In
allen
drei
Fällen
werden
sämtliche
Veranstaltungen
angegeben.
Bei
Konzerten
und
Straßenfests
können
Flyer
mitgenommen
werden;
man
kann
sich
eintragen
lassen
und
über
Veranstaltungen
via
Briefkasten
oder
eMail-Sendungen
informiert
werden.
Doch
am
allerbesten
schaut
man
einfach
bei
der
Friedenskirche
an
der Deutschen Oper vorbei. Der Gottesdienst beginnt sonntags um 10 Uhr.
Autor: wy
Pastor H.Kissel mit K. Wowereit
Gemeindekaffee nach dem Gottesdienst
Konzerte in der Friedenskirche
Spielplatz & Spielehaus Schillerstraße